Montag, 25. April 2011

Turm

2011-04-25 012Als im Großraum Stuttgart lebender Mensch kennt man natürlich den Stuttgarter Fernsehturm, der allgegenwärtig das Bild von Stuttgart prägt. Mir sind jetzt am Ostermontag Morgen noch zwei andere Türme eingefallen. Zuerst, wollt ich mal den Bismarckturm anschauen. Das Auto am elitären Tennisclub Weissenhof abgestellt, von dort über die Wiese zur Strasse am Bismarcktum.

Heute im Ohr: Peter Fox mit Cold Steel. Eine gigantische LiveCD vom Konzert in Berlin. Auch nicht sehr schlampig die Gegend. Großzügige Garagen, Grundstücke, Häuser. Alle mit Mauern drum rum. An den Klingeln und Briefkästen nur maximal 2 Buchstaben, ein armer Schlucker hat seinen Benz Kombi an der Strasse abgestellt. Darin 4 Säcke Blumenerde, die wollen über die warmen Tage erst mal verarbeitet werden. Egal, kein Sozialneid aufkeimen lassen, Herr Fox treibt mich beschwingt mit “Lok auf 2 Beinen” weiter, wir sagen dazu es groovt.

2011-04-25 002Weiter, schon vor einem Jahr bei unserem Besuch in Wuppertal ist mir dort ein wuchtiger Bismarckturm aufgefallen. Ja, der sah so richtig nach Kaiserzeit, nach monumentaler Architektur aus. Nach ein wenig googeln stellte sich dann heraus, dass dies nicht die einzigen Bismarcktürme sind, nein, es war mal einige Zeit ganz chic einen Bismarckturm zu haben. Wikipedia spricht davon, dass 240 Bismarcktürme errichtet wurden und davon immerhin noch ca. 170 erhalten sind. Ausdruck eines Bismarckkultes um 1900, oft initiiert von den Studentischen Burschenschaften.

2011-04-25 015Die Bismarcktürme oder Säulen waren weniger als Aussichtstürme geplant. Vielmehr trugen Sie oben eine sogenannte Feuerschale, in der zu besonderen Anlässen ein Petroleum Teer Gemisch entzündet wurde, um mit einer hohen Flamme weit ins Land an  Anlass zu erinnern. Und wie in Wuppertal, steht der Bismarckturm auch in Stuttgart, auf einem Hügel, dem Gähkopf 400 m ü.NN. Der Stuttgarter Bismarckturm geht wie 46 andere Türme auch auf den Entwurf „Götterdämmerung“ von Wilhelm Kreis zurück. Somit hätten wir uns den Besuch in Wuppertal sparen können, der ist nämlich baugleich.

Den Besuch in Stuttgart hätte ich mir auch sparen können, öffnet der Turm Sonn- und Feiertags erst um 11.00 Uhr; zu spät für mich. So bleibt’s beim Blick in die Stadt, wieder Überreste eines abendlichen, nächtlichen Trinkgelages entdeckt. Ist’s der selektive Blick, dass ich überall nur noch die Plastikbecher, Orangensaft Tetrapacks und Wodkaflaschen sehe ?

2011-04-25 009Noch einen halben Meter weiter, der Spielplatz, wie aus dem Prospekt für gute, hochqualitative und natürlich auch nicht ganz billige Spielgeräte. Alles noch bestens in Schuss, wer soll’s auch hier benutzen ? Die Kinder die hier hinter den hohen Mauern wohnen haben Platz genug auf ihrem Grundstück, die brauchen nicht den prolligen Spielplatz, die älteren Kinder dort spielen mit ihrem Boxter, Chayenne oder wenigstens SLK.

Heut kann mich das aber nicht runter ziehen Peter Fox beschwingt, lasse mich von der Euphorie der Livestimmung anstecken, werde ein Stadtaffe. Ich geh weiter, in der Nähe liegt der Killesberg.

Nicht so sehr wegen den Aussichtsturm gehe ich zum Höhenpark. Das Gelände einiger Gartenschauen, errichtet auf dem Gebiet eines Steinbruchs. Kann’s immer noch nicht verstehen wie dringend es war alle Messehallen abzureißen, hätte man nicht wenigstens die Messe Kongresshalle B stehen lassen können.

Können wir uns in Stuttgart wirklich nicht vor schönen, guten Veranstaltungssäalen retten ? Wollten wir eine große urbane Fläche zum exklusiven Baugebiet machen ? Hätten eventuelle Veranstaltungsbesucher die Ruhe gestört ? Wie lange dauert es noch, bis wir das Höhenfreibad platt machen ? Wo sind oder waren die “wir sind gegen Alles” Wutbürger ? Gab’s dort keinen Juchtenkäfer, waren die paar Bäume nicht schützenswert ? Ich merke wie ich mich wieder in etwas rein steigere, muss ruhiger werden, werde ruhiger.

Ruhig, das Auto abgestellt, Feiertagsmorgens um kurz vor neun. Rein in den Park. Gejoggt wird hier kaum, böte sich doch an. Ein Alter walkt nordic. Zwischen den Liedern höre ich das Zwitschern der Vögel. Ich weiß wo ich hin will, freue mich darauf. Kann es schon kaum erwarten. Mische mir mit der SKIP Taste die richtige Stimmung: “schwarz zu blau” – “guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein…” Foxens Liebeerklärung an seine Stadt.

2011-04-25 027Mir genügt die Milchbar. Milchbar ? Die Milchbar am Flamingosee  so die offizielle Bezeichnung. Entworfen von Rolf Gutbrod 1950 anlässlich der Gartenschau. Leichtbauweise, in die Natur integriert. Schön erhalten. Die Cousine hatte dort ihre Hochzeit gefeiert.Mein Lieblingsbauwerk. An den Hügel gebaut, zweigeschossig, scheint es trotzdem mit dem Geländel verschmolzen.

 

2011-04-25 018Der Zugang von unten am Flamingosee vorbei über die leicht geschwungene Treppe, die gleiche Steigung wie die Umgebung. Der gleiche Stein, das gleiche Material sowieso. Offiziell ist noch geschlossen, so bleibt Zeit, die schmale Terrasse zu begutachten. Belegt mit großen Platten rötlichen Sandsteins, unregelmäßig geformt. Das lässt’s natürlich aussehen.

 

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Offen wirkt’s durch die große Fensterfront. Leicht wirkt’s durch die schmalen Stahlprofile, die die Scheiben locker unterteilen. Das Geländer, alleine wenn ich das betrachte windet sich scheinbar in einem Stück mit diesmal regelmäßigen Bögen, verhindert einen Sturz, ist trotzdem leicht und luftig. Es sind natürlich auch die vielen Details die dieses Objekt Schmuckstück so wirken lassen. Und dass die blaue Farbe nur zufällig gewählt ist, daran kann ich nicht glauben. Hebt sie sich doch damit kaum von dem gespiegelten Himmel ab.

2011-04-25 057Ums Gebäude rum. Die Tür steht offen, der Pächter beginnt den Tag. Ich geh rein. In der Küche ist der Rollladen ein Stück oben. Kuchen warten darauf verkauft zu werden. Der Gastraum ist menschenleer. Angenehmes Klima, nicht dämpfig wie ich es mir vorgestellt hatte. Schaue nach unten, bevor ich die paar Stufen in den unteren Bereich gehe. Aufgeräumt ist’s, Ja es sind Biertische, Bierbänke, was die andere Farbe so alles bewirkt. Die Scheiben völlig klar, nur am fehlenden Wind merkt man ihre Existenz.

2011-04-25 063Zwei fast schon filigrane, Querträger fürs Dach oder um die Fensterfront zu stützen ? Kein fetter Doppel-T Träger kein Teil, das nach Sonderschicht im Stahlwerk aussieht.

Zwei mal Zwei Profile, die wieder wellenförmig abgestrebt sind. Luftig, leicht. Man könnte glauben, das Dach sei nur drauf gelegt, macht sich schon fast Sorgen, dass es beim nächsten Windstoß weg ist. Die Wände in Trockenmauer Optik. Von Efeu bewachsen. Der Boden läuft von der Terrasse herein. An einer Wand noch ein Flamingo Relief stimmig. Stimmig alles passt.

2011-04-25 076Ich bin mit dem Tag und der Welt versöhnt, lasse mir vom Pächter noch kurz Bilder zeigen, wie das Gebäude bei einer Veranstaltung geschmückt ist, zeige meine Anerkennung gehe noch kurz rüber zum Aussichtsturm.

Ganz Schwabe gebe ich natürlich keine 50 Cent in die Kasse, beklage mich dann lieber wieder über irgend etwas. So What ? Das bekomm ich nicht mehr aus mir raus.

Ich will gerade den Turm besteigen, da werde ich von einer Joggerin überholt. Völlig entspannt läuft sie an mir vorbei den Turm hoch. Kurzatmig lasse ich mir Zeit. Schon nach dem erreichen der zweiten Plattform, seh’ ich die Joggerin wieder. Sie ist schon auf dem Rückweg.

Oben dann auch schon fast obligatorisch, die Scheidungsfamilie, diesmal in der Konstellation Großeltern, Vater und mit “über Ostern ist der bei Dir” Sohn. Frustrierend, wie da auf heile Welt gemacht wird.

2011-04-25 100Wie erwartet ein überwältigender Blick über Stuttgart. Ich genieße es. Überlege ob ich als Spanner in die Penthäuser rein zoomen soll, entscheide mich diesmal für den einmaligen Ausblick und Fotografiere das nicht.

Beobachte wie sich die Liegewiese im Tal der Rosen langsam füllt, wie sich die Menschen einrichten. Freue mich an der geordneten Farbenpracht der Beete. Ein Aufwand der sich wirklich lohnt. Werde mich auf den Heimweg machen, die Gattin meldet sich am Handy genug für heute.

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